Artline 08.06.2016

“Gabriela Löffel. Die Schweizerin erkundet in ihren Videos die Codes der Macht”
Annette Hoffmann

„Wir waren ja eigentlich auch in einer sicheren Gegend“, betont die Männerstimme in Gabriela Löffels Videoarbeit „Offscreen“. Was bewegt jemanden dazu, eine Pauschalreise in ein Krisengebiet wie Afghanistan zu buchen? Abenteuerlust, Angeberei vielleicht, die Stimme jedenfalls gibt nichts preis, Gabriela Löffel (*1972) lässt den Text in ihren Werken meist von professionellen Schauspielern sprechen. Die jeweiligen Protagonisten müssen sich nicht selbst entlarven und zumeist geht es der in Bern und Genf lebenden Künstlerin auch weniger um Individuelles als um Symptome einer Gesellschaft und um Strukturen der Macht. Ihrer Arbeit „Fassung #1“ liegt ein Interview mit einem Mitarbeiter des Schweizer Flugzeugbauers Pilatus, dessen Trainingsflugzeuge auch in Kriegen eingesetzt wurden, zugrunde. Dem Schauspieler Benedikt Greiner gab sie die Aufgabe, das Gespräch simultan aus der Mundart ins Hochdeutsche zu übersetzen und die Körpersprache des Interviewten wiederzugeben. Greiner, in Anzug und Krawatte, sitzt auf offener Bühne im Scheinwerferlicht, er ringt um jeden Satz, verhaspelt, wiederholt sich. Wenn am Ende die Kamera auf die mit schwarzem Stoff abgedeckten Zuschauerreihen schwenkt, muss man unweigerlich an Leichensäcke und Kriege denken, die uns weit weg scheinen und an denen wir doch beteiligt sind. Gabriela Löffels eigentliches Thema ist die Politik. Sie erforscht die Codes und Gesten, in und mit denen sich Macht manifestiert und fortpflanzt. Für ihren in Schwarzweiß gedrehten Zweikanal-Film „The Case“ nahm sie während eines Wettbewerbs der World Trade Organization Law zwei Teams aus Harvard und Athen auf, die den fiktiven Fall eines afrikanischen Staates verhandeln, der sich gegen die Privatisierung von Trinkwasser verwehrt. Löffel zeigt, wie neoliberale Positionen propagiert werden. Dabei betont sie in ihren Arbeiten das Rhetorische und Fiktionale. „Offscreen“ etwa setzt sich aus drei Bildschirmen zusammen, neben einem Bühnenvorhang ist eine Kamerafahrt durch die Kulissen des Filmstudios Potsdam Babelsberg zu sehen, die an die Ästhetik eines Kriegsspiels erinnert und Proben für Stunts, die zwischen Kartontürmen stattfinden. Hier wird Wirklichkeit simuliert, damit nicht vergessen wird, dass sie ganz real stattfindet.

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